Fragen und Antworten
Allgemeines
Was ist das PAG?
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Die Polizei wird zum einen im Rahmen der Strafverfolgung tätig (sog. repressives Tätigwerden). Zum anderen handelt die Polizei präventiv. Das bedeutet, dass das Ziel der Polizei ist, den Eintritt eines Schadens zu verhindern. Für diesen präventiven Bereich gilt das Polizeiaufgabengesetz (PAG).
Warum wird das PAG wieder geändert?
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Anlass der aktuellen Änderung des PAG ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27. Mai 2020 (Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13).
Das BVerfG hatte mit dieser Entscheidung im Wesentlichen Teile mehrere Fachgesetze des Bundes, die die sog. Bestandsdatenauskunft regeln, für verfassungswidrig erklärt. Dabei hat das Gericht vor allem kritisiert, dass in den gegenständlichen Bundesgesetzen nicht genau geregelt wird, unter welchen Voraussetzungen den Sicherheitsbehörden Bestandsdaten von den Telekommunikationsanbietern übermittelt werden dürfen.
Der Bundesgesetzgeber hat daraufhin seine Rechtsgrundlagen (weitgehend) neu gefasst, insbesondere § 174 Telekommunikationsgesetz (TKG) und §§ 22 ff. Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG).
Die Entscheidung des BVerfG gilt inhaltlich auch für die Regelungen im Landesrecht. Als quasi „zweiten Schritt“ vollzieht nun Bayern die Änderungen des Bundes nach, um die geänderte Rechtslage auch im bayerischen Landesrecht abzubilden.
Erhält die Bayerische Polizei im Zuge der Änderung neue Befugnisse?
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Die Gesetzesänderung führt im Bereich der Bestandsdatenauskunft zu keinen neuen Befugnissen für die Bayerische Polizei. Vielmehr werden die bereits bestehenden Befugnisse an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst.
Im Ergebnis wird der Anwendungsbereich der einzelnen Befugnisse konkretisiert, was letztendlich zu einer Intensivierung des Schutzes der Rechte Betroffener führt.
Was wird geändert?
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Angepasst werden vor allem die Mitwirkungspflichten der Telekommunikations- und Telemedien-Diensteanbieter, die schon bisher in Art. 43 PAG festgeschrieben sind – und hierbei insbesondere die Regelungen zum Auskunftsrecht der Polizei von Bestands- (Art. 43 Abs. 5 bis 7 PAG a.F.) und Nutzungsdaten (Art. 43 Abs. 4 PAG a.F.).
Dabei erfolgt eine Orientierung an den Regelungen des Bundes – zum einen hinsichtlich der sog. Eingriffsschwellen (wann/zu welchem Zweck darf die Polizei tätig werden?), zum anderen hinsichtlich der Rechtsgüter (wen/was darf die Polizei schützen?). Zudem werden die Empfehlungen der PAG-Kommission zur Ausgestaltung der bedeutenden Rechtsgüter (Art. 11a Abs. 2 PAG) aus dem Jahre 2019 wieder aufgegriffen und damit die seitens der PAG-Kommission erarbeitete Stärkung der Rechte des Einzelnen fortgeführt.
Wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, werden die Voraussetzungen für den Abruf von Bestands- und Nutzungsdaten genauer im Gesetz definiert. So darf die Polizei künftig Bestandsdaten nur noch abrufen, wenn es zur Verhinderung einer (drohenden) Gefahr für die öffentliche Sicherheit, für die in den Regelungen des Art. 43 Abs. 5 und 6 PAG ausdrücklich aufgezählten Rechtsgüter oder der Verhütung von Straften von erheblicher Bedeutung bzw. schweren Straftaten erforderlich ist. Nutzungsdaten dürfen nur noch verlangt werden, wenn eine (drohende) Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder für eines in Art. 43 Abs. 4 PAG ausdrücklich aufgezählten Rechtsgüter vorliegt oder zur Verhütung von Straften von erheblicher Bedeutung bzw. schweren Straftaten erforderlich ist.
Zudem werden Richtervorbehalte ausdrücklich normiert, z.B. beim Auskunftsverlangen nach Art. 43 Abs. 5 PAG (Bestandsdaten). Das alles stärkt die Rechte des Einzelnen.
In Folge dieser inhaltlichen Änderungen wird das PAG an einigen Stellen rein redaktionell angepasst (z.B. Verweise auf geänderte Vorschriften). Außerdem wird das PAG an einzelnen Stellen um Klarstellungen ergänzt, um seine Anwenderfreundlichkeit zu verbessern. Inhaltlich ändert sich in diesen Artikeln nichts. Insbesondere werden keine neuen Befugnisse für die Polizei geschaffen.
Details der geplanten Änderung können dem hier hinterlegten Gesetzentwurf der Staatsregierung entnommen werden.
Werden meine Bürgerrechte durch die Novelle gestärkt?
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Ja. Wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, werden die Voraussetzungen für den Abruf von Bestands- und Nutzerdaten genauer im Gesetz definiert. So darf die Polizei künftig Bestandsdaten nur noch abrufen, wenn es zur Verhinderung einer (drohenden) Gefahr für die öffentliche Sicherheit, für die in den Regelungen des Art. 43 Abs. 5 und 6 PAG ausdrücklich aufgezählten Rechtsgüter oder der Verhütung von Straften von erheblicher Bedeutung bzw. schweren Straftaten erforderlich ist. Nutzungsdaten dürfen nur noch verlangt werden, wenn eine (drohende) Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder für eines in Art. 43 Abs. 4 PAG ausdrücklich aufgezählten Rechtsgüter vorliegt oder zur Verhütung von Straften von erheblicher Bedeutung bzw. schweren Straftaten erforderlich ist.
Zudem werden Richtervorbehalte ausdrücklich normiert, z.B. bei beim Auskunftsverlangen nach Art. 43 Abs. 5 PAG (siehe dort Satz 5; Auskunftsverlangen zu Bestandsdaten).
Außerdem wird die Transparenz und Anwenderfreundlichkeit verbessert.
Das alles stärkt die Rechte des Einzelnen.
Gesetzgebungsverfahren
Wann entscheidet der Bayerische Landtag über das Gesetz?
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Der Bayerische Landtag hat den Gesetzentwurf in Erster Lesung in der Vollversammlung vom 23.11.2022 behandelt und anschließend zur fachlichen Beratung in die Ausschüsse verwiesen. Nach Beratung in den Ausschüssen schließt sich eine Zweite und ggf. Dritte Lesung in der Vollversammlung an. Das Gesetz wurde am 22.03.2023 in der Schlussabstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen und wird am 01.04.2023 in Kraft treten.
Wird der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz beteiligt?
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Ja. Nach der ersten Behandlung im Ministerrat wurde dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri, der Gesetzentwurf mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet. Diese datenschutzrechtliche Beurteilung des Gesetzentwurfs ist der Staatsregierung wichtig. Den bereits bestehenden hohen Standard im Datenschutz weiter zu sichern, ist ein wichtiges Ziel des Gesetzes.
Wird das Gesetz demokratisch vom Parlament beschlossen?
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Ja. Nur wenn der Bayerische Landtag auf dem Weg der parlamentarischen Gesetzgebung in der Schlussabstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Gesetzentwurf beschließt, kann das Gesetz Inkrafttreten.
Datenbegriffe
Was sind Bestandsdaten?
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Unter Bestandsdaten versteht man Angaben, die zur Durchführung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Telefon-/Internetanbieter und dem Kunden erforderlich sind, z.B. Name und Adresse der Kunden, aber auch Zahlungsinformationen (z.B. Kontodaten).
Was sind Verkehrsdaten?
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Verkehrsdaten sind alle Daten, deren Erhebung, Verarbeitung oder Gebrauch bei der Erbringung des Telekommunikationsdienstes erforderlich sind. Beispiele sind Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung, genutzte Rufnummern sowie der Standort eines mobilen Kommunikationsteilnehmers.
Was sind Nutzungsdaten?
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Nutzungsdaten werden als telemedienrechtliches Pendant zu den Verkehrsdaten verstanden. Dazu zählen alle Daten, die zur Ermöglichung und Abrechnung der Internetdienste erforderlich sind. Beispiele sind Merkmale zu Identifikation, Beginn, Ende und Umfang sowie Angaben über die konkret in Anspruch genommenen Dienste (z.B. Informationen zum verwendeten Browser).
Praxis
Wie kommen die geänderten Befugnisse zum Einsatz?
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Nutzungs- oder Bestandsdaten werden zum Beispiel dann erhoben, wenn es gilt, eine Gefahr abzuwehren, die sich aufgrund von Äußerungen in sozialen Medien oder anderen Plattformen im Internet abzeichnet. Häufig handelt es sich hierbei um die Ankündigung einer Selbstverletzung bzw. Selbsttötung. Nicht selten ist der Polizei zunächst lediglich der Name des Benutzers bzw. des Accounts bekannt. Über eine entsprechende Anfrage beim Telemediendiensteanbieter können weitere gespeicherte Informationen erlangt und zielgerichtet die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen veranlasst werden.
In Fällen von vermissten Personen kann es zur Durchführung von technischen Maßnahmen zur Aufenthaltsortfeststellung erforderlich sein, die spezifischen Kennungen der mitgeführten Geräte, wie beispielsweise der Seriennummer eines Mobiltelefons, festzustellen. Nur wenn diese Daten bekannt sind, können entsprechende weitere Maßnahmen zur Ortung getroffen werden.
Richtervorbehalte
Was ist ein Richtervorbehalt?
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Richter sind unabhängig. Als unvoreingenommene Instanz obliegt ihnen die Kontrolle polizeilicher Maßnahmen. Bei tiefgreifenden, grundrechtsrelevanten Maßnahmen, wie z.B. Wohnungsdurchsuchungen, muss die Polizei grundsätzlich vorher ihre Zustimmung einholen.
Zuständig sind die Amtsgerichte vor Ort, die nah am Geschehen sind und auch zeitnah entscheiden können. Alle Konstellationen, in denen es einer solchen Zustimmung bedarf, sind infolge der letzten PAG-Novelle 2021 in einem Artikel übersichtlich aufgelistet.
Welche Kontrollen der polizeilichen Arbeit bestehen in diesem Bereich noch?
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Alle Maßnahmen der Polizei sind überprüfbar. Die Überprüfung (beispielsweise durch ein Gericht) kann zum einen jeder Betroffene in die Wege leiten. Zum anderen gibt es unabhängige Kontrollinstanzen (wie z.B. den Landesbeauftragten für Datenschutz oder das Parlamentarische-Kontroll-Gremium des Landtags, das über verdeckte Maßnahmen der Polizei von Gesetzes wegen informiert werden muss).
Kann ich gegen richterlich angeordnete / bestätigte Maßnahmen vorgehen?
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Selbstverständlich. Hat ein Gericht eine Maßnahme angeordnet, mit der man nicht einverstanden ist, kann man ein Rechtsmittel (Beschwerde, Art. 99 Abs. 1 PAG) einlegen. Dies war auch bisher schon der Fall. Über die Beschwerde entscheidet in erster Instanz das Landgericht.
Ebenso besteht die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Landgerichts mit einer Rechtsbeschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorzugehen, wenn man der Ansicht ist, dass die Entscheidung des Landgerichts nicht richtig war (Art. 99 Abs. 2 PAG).
Wie kann ich eine polizeiliche Maßnahme, die ohne richterliche Anordnung ergangen ist, überprüfen lassen?
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Gegen die polizeiliche Maßnahme selbst kann weiterhin - wie bislang auch schon - Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten begehrt werden.