Fragen und Antworten
PAG: Aktuelle Änderungen
Was ist das PAG?
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„PAG“ ist die Abkürzung für Polizeiaufgabengesetz. Dieses ist in Bayern die Rechtsgrundlage für das polizeiliche Handeln, wenn die Polizei im präventiven Bereich handelt, d.h. zur Gefahrenabwehr tätig wird.
Dagegen ist die Rechtsgrundlage bei der Strafverfolgung die Strafprozessordnung (StPO).
Warum wird das PAG wieder geändert?
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Anlass der aktuellen Änderung des PAG sind die Vorschläge und Anregungen der PAG-Kommission. Neben diesen Anpassungen werden auch Festlegungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt: So werden beispielsweise die Richtervorbehalte transparenter und anwenderfreundlicher gestaltet.
Warum gab es die PAG-Kommission?
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Der Ministerrat hatte am 12. Juni 2018 die Einrichtung einer Kommission zur Begleitung des neuen PAG beschlossen. Die PAG-Kommission wurde durch die Bayerische Staatsregierung gebeten, die Umsetzung des neuen PAG eng zu begleiten und unabhängig zu prüfen.
Wer war Mitglied der PAG-Kommission?
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Die PAG-Kommission setzte sich aus Experten aus unterschiedlichen Bereichen, wie z. B. der Richterschaft, der rechtswissenschaftlichen Forschung, dem Datenschutz und der Polizeipraxis zusammen.
Die Mitglieder der PAG-Kommission waren:
- Dr. Karl Huber, Präsident des Bayer. Verfassungsgerichtshofs a. D.
- Prof. Dr. Thomas Petri, Bayer. Landesbeauftragter für den Datenschutz
- Dr. Erwin Allesch, Vizepräsident des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs a. D.
- Elisabeth Mette, Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts
- Prof. Dr. Martin Burgi, Universitätsprofessor, LMU München
- Peter Dathe, Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts a. D.
Was hat die PAG-Kommission empfohlen?
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Die PAG-Kommission legte am 30. August 2019 ihren Abschlussbericht vor.
Dieser hat bestätigt, dass das bestehende PAG mit den zentralen Änderungen aus den Jahren 2017 und 2018 im Grundsatz in Ordnung ist. So hat die PAG-Kommission gegen die Einführung der „drohenden Gefahr“ als neuen Gefahrenbegriff keine grundlegenden Bedenken geäußert. Auf der anderen Seite hat die Kommission darüber hinaus auch konkrete Anregungen unterbreitet, wie das PAG weiterentwickelt werden könnte.
Der vollständige Abschlussbericht der PAG-Kommission kann hier abgerufen werden.
Was ist nun neu?
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Das PAG soll in Teilbereichen nachjustiert werden. Die Änderungen betreffen hauptsächlich die "drohende Gefahr", die Regelungen zum Gewahrsam und zur Body-Cam sowie die DNA-Analyse. Des Weiteren wird zu den Richtervorbehalten und dem gerichtlichen Verfahren ein neuer Abschnitt eingeführt, in dem die Regelungen zentral dargestellt werden. Zudem werden auch gänzlich neue Richtervorbehalte eingeführt. Daneben soll die Anwenderfreundlichkeit und Transparenz des Gesetzes weiter verbessert werden.
In der Rubrik "Änderungen im Detail" finden Sie eine ausführliche Liste der Neuregelungen.
Werden meine Bürgerrechte durch die Novelle gestärkt?
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Ja, Beispiele hierfür sind die Bestellung eines Rechtsanwalts von Amts wegen bei Gewahrsam mit richterlicher Entscheidung, die Verkürzung der maximalen Gewahrsamsdauer, die ausdrückliche Festschreibung des Auskunftsrechts bzgl. Body-Cam-Aufzeichnungen und die Einführung einer Obliegenheit für die Polizei zur Dokumentation von Body-Cam-Einsätzen in Wohnungen, etwa durch die Aushändigung eines Informationsblattes und die Einführung neuer Richtervorbehalte bei DNA-Untersuchungen.
Die Änderungen am PAG wurden allesamt mit dem Fokus der Anwenderfreundlichkeit und Transparenz für Bürgerinnen und Bürger vorgenommen.
Hierzu dienen eindeutige Vorschriften, die nicht erst interpretiert werden müssen, wie etwa die neue klare Regelung des gerichtlichen Verfahrens.
Gesetzgebungsverfahren
Wann kommt das Gesetz in den Bayerischen Landtag?
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Bevor das PAG in den Bayerischen Landtag kommt, müssen erst noch weitere Schritte durchlaufen werden.
Zunächst wird das PAG Gegenstand einer Beratung und anschließenden Abstimmung im Ministerrat sein.
Nach dem Beschluss im Ministerrat werden verschiedene Stellen wie der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz oder Berufsverbände (z.B. Gewerkschaften der Polizei, Bayer. Richterverein e.V.) angehört.
Anschließend besteht für die Staatsregierung die Möglichkeit, Anregungen aus der Anhörung in den Gesetzentwurf einzuarbeiten.
Nach einem erneuten Beschluss des Ministerrates wird der Gesetzentwurf von der Bayerischen Staatsregierung in den Bayerischen Landtag eingebracht (Art. 71 Bayerische Verfassung).
Wird der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz beteiligt?
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Ja! Nach der ersten Behandlung im Ministerrat wird dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz der Gesetzentwurf zugeleitet, der hierzu eine Stellungnahme abgeben kann. Diese datenschutzrechtliche Beurteilung des Gesetzentwurfs ist der Staatsregierung sehr wichtig. Außerdem ist ein Ziel des Gesetzes, den hohen Standard im Datenschutz weiter zu sichern.
Wann entscheidet der Bayerische Landtag über das Gesetz?
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Die Behandlung im Bayerischen Landtag beginnt mit der Ersten Lesung in der Vollversammlung. Wenn der Gesetzentwurf hier nicht abgelehnt wird, wird er zur Weiterbehandlung in die Ausschüsse verwiesen. Daran schließt sich eine zweite und ggf. dritte Lesung in der Vollversammlung an. Die Abgeordneten können den Gesetzentwurf bis zum Ende der letzten Lesung noch umfassend ändern oder im Ganzen ablehnen. Das Gesetz ist erst beschlossen, wenn es in der Schlussabstimmung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält.
Wird das Gesetz demokratisch vom Parlament beschlossen?
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Ja! Nur wenn der Bayerische Landtag auf dem Weg der parlamentarischen Gesetzgebung in der Schlussabstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Gesetzentwurf beschließt, kann das Gesetz in Kraft treten.
Drohende Gefahr
Was ist die drohende Gefahr?
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Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn die Polizei aufgrund von Tatsachen nachweisen kann, dass erhebliche Angriffe auf bedeutende Rechtsgüter, z.B. auf Leben, Gesundheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind. Es droht also tatsächlich etwas Schlimmes, jedoch ohne dass die Polizei schon genau sagen kann, wann und wo der Schaden konkret eintreten wird.
Beispiele:
- Der in seiner Ehre gekränkte Ehemann ist untergetaucht und hat angekündigt, seine Frau zu töten. Die Polizei darf Maßnahmen ergreifen, um die drohende Gefahr abzuwehren. Insbesondere wird sie versuchen, den Ehemann ausfindig zu machen und gleichzeitig die bedrohte Ehefrau schützen.
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Durch Hinweise eines Bürgers wird bekannt, dass ein Drogenhändler im großen Stil neuartige gefährliche und verbotene Kräutermischungen per Post verschickt. Es gab bereits zwei Todesfälle. Die Polizei kann beim zuständigen Richter die Anordnung der Sicherstellung eines entsprechenden Pakets beantragen und dieses dann dem Richter nach Sicherstellung zur Überprüfung und Öffnung vorlegen. Ziel der Maßnahme ist es, mögliche Käufer vor den unberechenbaren und möglicherweise sogar lebensgefährlichen Folgen des Konsums der Kräutermischungen zu schützen.
- Der in seiner Ehre gekränkte Ehemann ist untergetaucht und hat angekündigt, seine Frau zu töten. Die Polizei darf Maßnahmen ergreifen, um die drohende Gefahr abzuwehren. Insbesondere wird sie versuchen, den Ehemann ausfindig zu machen und gleichzeitig die bedrohte Ehefrau schützen.
Woher stammt der Begriff der drohenden Gefahr?
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Der Begriff der drohenden Gefahr geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 zum BKA-Gesetz (Az. 1 BvR 966/09) zurück und ist bereits seit 2017 im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz verankert.
In ihrem Bericht hat die PAG-Kommission keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Einführung dieser Gefahrenkategorie im PAG erhoben.Überdies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner aktuellen Entscheidung vom 27. Mai 2020 (Az. 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 – Bestandsdatenauskunft II) nunmehr ausdrücklich anerkannt, dass neben der konkreten Gefahr als weitere Gefahrenkategorie die drohende Gefahr besteht. Zudem ist die Gefahrenkategorie der drohenden Gefahr nicht auf den Bereich des Terrorismus beschränkt, sondern auch zum Schutz von erheblichen Rechtsgütern im Bereich der „normalen“ Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich ist. Damit hat das höchste deutsche Gericht seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BVerfG vom 20.04.2016, Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) bestätigt und ergänzt.
Auf die drohende Gefahr kann deshalb nicht verzichtet werden. Sie wird aber entsprechend den Vorgaben der PAG-Kommission konsequent weiterentwickelt und etwa auf besonders hochwertige Rechtsgüter beschränkt.
Die drohende Gefahr ist auf bedeutende Rechtsgüter beschränkt. Was sind diese bedeutenden Rechtsgüter?
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Die bedeutenden Rechtsgüter sind in Art. 11a Abs. 2 PAG abschließend aufgezählt und wurden auf Empfehlung der PAG-Kommission nochmals eingeschränkt.
Zu den bedeutenden Rechtsgütern zählen nach dem aktuellen Gesetzentwurf:
- Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes,
- Leben, Gesundheit oder Freiheit
- die sexuelle Selbstbestimmung, soweit sie durch Straftatbestände geschützt ist, die im Mindestmaß mit wenigstens drei Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind oder
- Anlagen der kritischen Infrastruktur sowie Kulturgüter und Denkmäler von mindestens überregionalem Rang.
Was wird im Bereich der drohenden Gefahr nun angepasst?
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Um die Regelungen zur drohenden Gefahr rechtsklar und transparent zu gestalten, bekommt diese Gefahrenkategorie nun sogar einen eigenen Artikel in Art. 11a PAG (bisher Art. 11 Abs. 3 PAG) zugewiesen. Die Anpassungen zur drohenden Gefahr setzen im Übrigen allesamt Empfehlungen der PAG-Kommission um:
- Die Definition der Gefahrenkategorie der konkreten Gefahr wird explizit im Gesetz aufgenommen (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 PAG). Bisher war lediglich die drohende Gefahr im Gesetz legaldefiniert. Durch die Aufnahme der Definition der konkreten Gefahr soll die Abgrenzung zwischen drohender und konkreter Gefahr verdeutlicht werden.
- Es wird klargestellt, dass die konkrete Gefahr der Hauptanwendungsfall für die Polizei bleiben soll.
- Der Katalog der „bedeutenden Rechtsgüter" wird eingeschränkt.
Richtervorbehalte
Was ist ein Richtervorbehalt?
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Vereinfacht ausgedrückt bedeutet der Richtervorbehalt im PAG, dass die Polizei grundsätzlich nicht ohne vorherige Zustimmung eines Richters tätig werden darf.
Dies beruht darauf, dass dem unabhängigen Richter als neutrale Instanz die Kontrolle polizeilicher Maßnahmen obliegt. Bei tiefgreifenden, grundrechtsrelevanten Maßnahmen, wie Wohnungsdurchsuchungen, muss die Polizei daher grundsätzlich vorher die Zustimmung eines Richters einholen.
Zuständig sind die Amtsgerichte vor Ort, die nah am Geschehen sind und auch zeitnah entscheiden können. Alle Konstellationen, in denen es einer richterlichen Zustimmung bedarf, sind infolge der PAG-Novelle nun in einem Artikel 94 übersichtlich aufgelistet.
Woran erkenne ich im PAG, ob ein Richter über polizeiliche Maßnahmen zu entscheiden hat?
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Ob ein Richter über polizeiliche Maßnahmen zu entscheiden hat, kann ausdrücklich dem Gesetzeswortlaut entnommen werden.
So wird nun bei jeder PAG-Befugnis, bei der grundsätzlich ein Gericht entscheiden muss, dies klar und an möglichst zentraler Stelle im Gesetzeswortlaut erkennbar gemacht (z.B. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 n.F. PAG). Zudem werden in Art. 94 PAG die einzelnen Richtervorbehalte aufgelistet und sind so auf einen Blick erkennbar. Dies stellt eine Neuerung im Bereich der Polizeiaufgabengesetze dar. Der Freistaat Bayern will den Bürgerinnen und Bürgern das höchste Maß an Transparenz bieten.
Über welche Eingriffe entscheidet regelmäßig nur das Gericht?
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Mit dem neu geschaffenen Art. 94 PAG ist für jedermann sofort ersichtlich, in welchen Fällen ein Gericht über die Anordnung einer polizeilichen Maßnahme entscheiden muss. Es ist immer dann für Entscheidungen über polizeiliche Maßnahmen zuständig, wenn es sich um besonders intensive Eingriffe oder sog. „verdeckte“ Maßnahmen handelt. Als Beispiele können die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung (Art. 34 PAG) oder der verdeckte Zugriff auf informationstechnische Systeme (Art. 45 PAG) genannt werden.
Gewahrsam
Gibt es einen unbefristeten Gewahrsam?
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Nein.
Die Polizei kann einen Gewahrsam nur bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen anordnen.
Ein längerfristiger Gewahrsam kann – wie bereits bisher – nur durch einen Richter angeordnet werden. Die Dauer eines richterlich angeordneten Gewahrsams kann künftig maximal bis zu einem Monat betragen (bisher: max. drei Monate). Verlängerungen der Gewahrsamsdauer sind durch einen Richter möglich, allerdings nur noch bis zu einer maximalen Gesamtdauer von
zwei Monaten. ln der derzeit geltenden Fassung war hier gesetzlich keine zeitliche Begrenzung vorgesehen.Entfällt der Grund der Freiheitsentziehung während der Gewahrsamsdauer, wird der Betroffene (wie auch bisher) unabhängig von der angeordneten Dauer sofort entlassen.
Gilt die Verkürzung der Dauer des Gewahrsams auch für Personen, die sich schon in Gewahrsam befinden?
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Ja. Durch eine Übergangsregelung wird sichergestellt, dass die neuen Maximalfristen auch für Personen gelten, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch in Gewahrsam befinden.
Kann die Polizei „einfach so“ Leute festnehmen?
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Nein. Eine Ingewahrsamnahme unterliegt strengen Voraussetzungen. Dies gilt bisher und wird auch weiterhin so bleiben. Unter anderem muss immer eine konkrete Gefahr gegeben sein und andere Maßnahmen müssen bereits erfolglos gewesen sein oder absehbar keinen Erfolg versprechen.
Warum nimmt die Polizei überhaupt außerhalb der Strafverfolgung Leute fest?
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Sinn und Zweck der präventiven Ingewahrsamnahme ist, eine Gefahr abzuwehren und den Eintritt eines Schadens zu verhindern, sei es zum Schutz der Person selbst oder zum Schutze anderer vor Gefahren, die von der Person ausgehen. Beispielsweise kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn sie stark alkoholisiert ist und sich damit selbst in Gefahr bringt. Oder die Polizei kann einen gewalttätigen Ehemann zum Schutz der Ehefrau in Gewahrsam nehmen, bevor er wieder gewalttätig wird, bis für die Frau Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz getroffen werden konnten.
Gerichtliches Verfahren
Wie werden die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in diesem Bereich gestärkt?
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Die PAG-Novelle setzt die Vorschläge der PAG-Kommission im Hinblick auf „Verfahren und Zuständigkeit für gerichtliche Entscheidungen“ umfassend um.
Eingefügt wird zunächst ein neuer Abschnitt zum Verfahren und Rechtsschutz.
Außerdem werden zusätzlich zu den schon bestehenden Richtervorbehalten im Zuge der PAG-Novelle weitere Richtervorbehalte neu eingefügt. So wird etwa ein Richtervorbehalt für die Verwertung der im Rahmen eines Body-Cam-Einsatzes in Wohnungen erlangten Erkenntnisse zum Zweck der Gefahrenabwehr oder bei der DNA-Analyse unbekannten Spurenmaterials aufgenommen.
Alle Richtervorbehalte finden sich nun kompakt und übersichtlich in einer zentralen Norm (Art. 94 PAG) aufgelistet. Dies gewährleistet noch mehr Transparenz.
Auch die Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene werden erweitert. Hier wird zusätzlich das neue Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht geschaffen (vgl. Art. 99 Abs. 2 PAG).
Auch wird Betroffenen im Fall einer Ingewahrsamnahme automatisch für das gerichtliche Verfahren ein Anwalt zur Seite gestellt (Art. 97 Abs. 4 PAG).